Seit dem Beginn des EU-Projektes COMBINE im Januar 2019 intensiviert das HWWI seine modellgestützte Forschung zum Thema kombinierten Verkehr. Unter kombinierten Verkehr versteht man allgemein den Gütertransport unter kombinierten Einsatz verschiedener Verkehrsträger. Die Verbindung von Gütertransportwegen auf der Straße, auf der Schiene und zu Wasser verspricht einen effizienteren und ökologisch schonenderen Verkehr von Waren in Europa.
Als Teil des Interreg Baltic Sea Region-Programms der Europäischen Union (EU) und unter der Leitung der Hafen Hamburg Marketing e.V. erforschen 14 Projektteilnehmer aus Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und Schweden die Vorteile eines Ausbaus des kombinierten Verkehrs im gesamten Ostseeraum.
Im Rahmen des Projekts haben Forscher des HWWI zuletzt ein Forschungspapier angefertigt, welches szenariobasiert zukünftige Einsparpotenziale im Bereich von CO2-Emissionen durch kombinierten Verkehr in Europa quantifiziert.
Straßenverkehr dominiert
Auf Gütertransportwegen von unter 300 km Länge dominiert der Verkehr auf der Straße in Europa. Für über diese Distanz hinausgehende Transportvorgänge ist der kombinierte Verkehr eine Alternative. Den beim kombinierten Verkehr anfallenden Mehrkosten und zeitlichen Verzögerungen aus Rangier- und Verladevorgängen stehen auf Strecken von über 300 km Ersparnisse in Form von Emissionen, Zeit und ökonomischen Kosten durch teilweisen Transport auf Schiene oder Wasser gegenüber.
Vor diesem Hintergrund ist der Ausbau des kombinierten Verkehrs ein wichtiges Ziel der Europäischen Union. Ihr im Jahr 2011 erschienenes Weißbuch zum Verkehr beinhaltet die Absicht bis zum Jahr 2030 rund 30 Prozent der heutigen Strecken des Güterverkehrs von der Straße auf andere Verkehrswege zu verschieben, bis zum Jahr 2050 sogar rund 50 Prozent (bezogen auf Werte von 2011). Gleichzeitig sollen Treibhausgasemissionen verursacht durch Transport innerhalb der EU bis 2050 um 60 Prozent gesenkt werden. Berechnungen der europäischen Statistikagentur Eurostat gehen davon aus, dass in 2017 bezogen auf die zurückgelegten Kilometer rund 41,2 Prozent des Gütertransportes von der Straße auf andere Verkehrswege verschoben werden können, bezogen auf das Transportvolumen allerdings nur 8,2 Prozent.
Szenarien für die Entwicklung der Emissionen
EU-weit geht der Ausbau des Anteiles der Schiene am gesamten Güterverkehr nur langsam voran. Von 2006 bis 2017 konnten Finnland und Ungarn einen Anstieg von knapp über 0,5 Prozent vermelden, bei allen anderen Mitgliedsstaaten war der Anteil rückläufig oder konstant. Im EU-Durchschnitt lag der Anteil des Schienenverkehrs am Gütertransport bei 17,3 Prozent im Jahr 2017. In einem ambitionierten Szenario könnte dieser Anteil bis 2030 auf 32,6 Prozent (siehe Abbildung) und in einem sehr ambitionierten Szenario sogar auf 41,7 Prozent steigen.
Abbildung: Erhöhung des Schienenanteils im Güterverkehr (ambitioniertes Modal Shift-Szenario)
<small>Quellen: Eurostat (2020); HWWI.</small>
Die damit verbundenen Emissionseinsparungen auf EU-Ebene summieren sich nach den Schätzungen des HWWI auf etwa 3,8 Millionen Tonnen CO2. In Bezug auf die aktuell über 1 Billion ausgestoßenen Tonnen CO2 verursacht durch den Transportsektor in der EU belaufen sich die Emissionseinsparungen durch den kombinierten Verkehr auf rund 1 Prozent. In der Tabelle sind die geschätzten Emissionsreduktionen auf Länderebene in Indexform dargestellt, wobei die EU-weiten Emissionen im Jahr 2017 als Referenzwert angesetzt wurden.
Tabelle: Index der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor nach Szenarien
<small>Quellen: Eurostat (2020); German Environmental Agency (2018); HWWI.</small>
Unsere szenariobasierten Projektionen zeigen insgesamt, dass eine Verlagerung des Güterverkehrs in der EU durch Modalverschiebungen die gesamten Treibhausgasemissionen des Verkehrssektors nicht signifikant senken kann. Selbst unter sehr optimistischen Modalverschiebungsszenarien und konstanten Gesamtfrachtvolumina würde die Emissionsreduzierung im Jahr 2030 nur 6,5 Prozent betragen (im Vergleich zu 2017).
Neben der weiteren Technologisierung des Verkehrs wie der Entwicklung neuer Antriebstechniken sind daher zugleich auf politischer Seite weitere Maßnahmen im Bereich der Kosteninternalisierung von Emissionen im Verkehrsbereich notwendig. Auch müssen technologieseitig vorhandene Potenziale zur Erhöhung der Kosteneffizienz multimodalen Transports gehoben werden. Insbesondere ein reibungsloser Übergang zwischen zwei Verkehrsträgern ist entscheidend für die effiziente Nutzung multimodalen Verkehrs. Daneben sind die langfristig wirkenden Trends mit ihren potenziell disruptiven Effekten im Auge zu behalten. Die Digitalisierung wird die Transportbranche weiter vorantreiben und die Wertschöpfungsketten mit ihren intermodalen Organisationsformen neugestalten (Jahn et al. 2018).