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Ausgabe Winter 2023

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Städtische Räume

Die Produktive Stadt: eine Einordnung und Typologie für die Weiterentwicklung von Städten

BEITRAG VON Heidi Bogdzinski, Jan Wedemeier und Lukas Wolf

Infolge der Neuen Leipzig Charta 2020 und des allgemeinen Wandels hin zur Dienstleistungsgesellschaft gewinnt die kleingewerbliche Wirtschaftsstruktur in Städten wieder deutlich an Relevanz. Unter dem Konzept der "Produktiven Stadt" soll das Kleingewerbe in die bestehenden verschiedenen Quartiere einer Stadt wieder stärker integriert werden. Um das Konzept der Produktiven Stadt in der Praxis umzusetzen, bedarf es zunächst einer Typologie mit quantitativen Faktoren, die zum Ziel hat, Stadtentwicklungsprojekte der Produktiven Stadt zuzuordnen.

Produktion in die Stadt
Ausgehend von der Neuen Leipzig Charta 2020 für die Nationale Stadtentwicklungspolitik des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB, 2020) soll Produktion unter den Begriffen "Urbane Produktion" und "Produktive Stadt" Einzug in die Stadtplanung finden. In den vergangenen Jahrzehnten zog sich die industrielle Produktion zunehmend aus den Städten zurück. Mithilfe neuer Technologien ist mittlerweile jedoch eine umwelt- und nachbarschaftsverträgliche Produktion (versus negative externe Effekte der Produktion) möglich und kann zusammen mit Wohnen sowie kulturellen und sozialen Einrichtungen ein nutzengemischtes Stadtbild schaffen. Die mit diesen Konzepten verknüpften Hoffnungen sind weitereichend und umfassen unter anderem: die Aufhebung der sektoralen Trennung im städtischen Raum, den Aufbau und Stärkung von Wirtschaftskreisläufen sowie die Senkung des ökologischen Fußabdrucks (Nischwitz et al., 2021).

Wissenschaftliche Einordnung
Während die Literatur zu Produktive Stadt noch in den Anfängen steht, ist der Begriff der Urbanen Produktion in der wissenschaftlichen Debatte definitorisch eingeführt und abgegrenzt. Daher bietet die Urbane Produktion einen Ausgangspunkt in der Aufstellung einer Typologie der Produktiven Stadt.

Der Fokus der Urbanen Produktion liegt explizit auf der Produktion in dicht besiedelten, urbanen Räumen, die ein materielles Endprodukt hervorbringt. Dies trifft insbesondere auf das Handwerk zu, aber auch weiteres verarbeitendes Gewerbe sowie die urbane Landwirtschaft. Zusätzlich fallen darunter Teilbereiche der Kreativwirtschaft und Dienstleistungen, solange diese ein materielles Endprodukt herstellen (Piegeler und Spars, 2019).

Der Begriff Produktive Stadt beschreibt hingegen das überstehende Konzept der Nutzungsmischung zwischen Wohnen und Arbeiten, unter dem Urbane Produktion in der Stadtentwicklung integriert wird (Gärtner et al., 2021).

Ansatz einer Typologie für die stadtökonomische Entwicklung
Der hier gewählte Ansatz einer Typologie der Produktiven Stadt hat zum Ziel, Stadtentwicklungsprojekte dem Leitbild der Produktiven Stadt zuzuordnen. Die Typologie verfolgt somit das Ziel, anhand einer Indikatorik der Stadtplanung ein Instrument anbieten zu können. Eine Übersicht der Subtypen und deren verbundenen Grenzwerte der verschiedenen Indikatoren findet sich in der nachfolgenden Tabelle. (Zum Anzeigen klicken Sie das Bild an.)

Das Leitbild der Produktiven Stadt im Rahmen der Neuen Leipzig Charta 2020 verknüpft die Herausforderungen einer sich wandelnden Arbeits- und Produktionswelt und schafft einen neuen strukturellen Rahmen für die Stadtentwicklung, in dem das Leben der Stadt von morgen neu gedacht wird. Trotz dieser Zielsetzung liegt die Anwendung und Umsetzung dieses Konzeptes in der Stadtentwicklung noch in den Anfängen.  

Fazit
Auch die Neue Leipzig Charta 2020 dient eher als übergeordnetes Leitbild, beinhaltet jedoch keine konkreten Vorgaben, sodass auf dem Gebiet der Produktiven Stadt noch weitere, vertiefende Forschung und Anwendungen von Typologien zur Konkretisierung notwendig sind. Zukünftig könnten diesbezüglich Fragen von stadtspezifischen Unterschieden oder die Umsetzung des Konzepts in mittleren Städten an Bedeutung gewinnen.


Literatur

BMWSB – Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (Hrsg.) (2020), Neue Leipziger Charta 2020, Die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl, Verabschiedet beim Informellen Ministertreffen Stadtentwicklung am 30. November.

Gärtner, S., K. Meyer und D. Schlieter (2021), Produktive Stadt und Urbane Produktion: Ein Versuch der Verortung anhand der Neuen Leipzig Charta 2020, Forschung Aktuell, 4.

Nischwitz, G., P. Chojnowski und M. von Bestenbostel (2021), Urbane Produktion für eine Produktive Stadt Bremen – Eine Chance für mehr Beschäftigung?, Reihe Arbeit und Wirtschaft in Bremen, 34.

Piegeler, M. und G. Spars (2019), Urbane Produktion – Konzept und Messung, Schumpeter Discussion Papers, Universität Wuppertal.

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KONTAKT

Dr. Jan Wedemeier

Projekt

Dieser Artikel ist im Rahmen des Projektes "Strategie zur Entwicklung von Neuen Orten der Produktiven Stadt in der Stadt Bremen" (2021-2022) entstanden, in dem Verbund mit der Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa (SWAE), der Senatorin für Klimaschutz, Umwelt, Mobilität, Stadtentwicklung und Wohnungsbau (SKUMS), der Bremer Innovations- und Entwicklungsgesellschaft sowie dem Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI).

Artikel

Die vollständige Fassung dieses Artikels finden Sie in der Zeitschrift "Wirtschaftsdienst".